EDITION DONAU-UNIVERSITÄT KREMS
INTEGRATIVE THERAPIE
Zeitschrift für vergleichende Psychotherapie und Methodenintegration
Aus Heft 2009, 2-3 Für Kinder engagiert – mit Jugendlichen auf dem Weg
Seite 259 – 276
Kindheit, Jugend und Gesellschaft – Identität in Zeiten des schnellen sozialen Umbruchs
Klaus Hurrelmann
Zusammenfassung: Kindheit, Jugend und Gesellschaft – Identität in Zeiten des schnellen sozialen Umbruchs
Muss die Entwicklung der modernen Gesellschaft aus Sicht der Kinder als ein Prozess des Fortschritts oder des Rückschritts geschrieben werden? Welche Auswirkungen haben die aktuellen Verhältnisse auf die Identitätsbildung junger Menschen? Die historische Perspektive (Ariès, de Mause) legt nahe, Kinder als Gewinner des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses anzusehen. Der vorliegende Beitrag nimmt eine Differenzierung nach sozialen Bedingungen vor. Unterschiedliche Forschungserkenntnisse werden verglichen und die These erhärtet, wonach Kindheit als Schonraum eine Frage sozialer Zugehörigkeit ist. Die Kindheitsforschung zeigt, dass heute – in einer eigentümlichen Analogie zum Mittelalter – für immer mehr Kinder eine gesonderte Lebensphase „Kindheit” als Raum für eine entwicklungs- und altersgemäße Entfaltung nicht mehr existiert. Die eigenständige Phase ist gefährdet. Das Anwachsen des Freiheitsraumes bringt nicht nur erhöhte Chancen, vielmehr auch ein verändertes Belastungsprofil mit sich. Stresssymptome sind die „sozialen“ Kosten der veränderten Lebensweise. Sie wirken sich im Aufbau der Persönlichkeit von Kindern unmittelbar aus und führen zu Belastungen in der gesamten Spanne der Persönlichkeitsentwicklung. Der Beitrag vertieft im zweiten Teil die Folgen dieses gesellschaftlichen Wandels auf das Jugendalter.
Schlüsselwörter: Kindheit, Jugend, Wertorientierung, Identität, Entwicklungs-aufgaben
Summary: Childhood, Youth and Society Identity in Times of rapid social Change
In the perspective of children and adolescents, do we have to consider the evolution of modern society as a process of progress or of restrictions and setbacks? In this paper, childhood and adolescence are conceptualised within social structural frames. In a prolonged life course, the life phase of childhood has become relatively short and the life phase of adolescence relatively long. As western societies undergo a process of institutional differentiation and individualization, the responsability of socialization agencies is becoming fragile. This affects families as well as formal educational organisations. The consequence is that young people have to develop a high capacity of „self management“ in order to solve their developmental tasks. This forms a challenge for the identity formation: Children and adolescents have to establish a flexible and at the same time stable structure of self image as the basis for their identity in times of rapid social change.
Keywords: Childhood, Adolescence, Socialisation, Identity, Developmental Tasks
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