FPI-Publikationen FPI-Publikationen FPI-Publikationen FPI-Publikationen

 

EDITION DONAU-UNIVERSITÄT KREMS
INTEGRATIVE THERAPIE
Zeitschrift für vergleichende Psychotherapie und Methodenintegration
Aus Heft 2009, 4 Gewissensarbeit, Weisheitstherapie, Geistiges Leben
Seite 395 – 416

Nietzsche als Psychologe. Die Integration der Triebe und Affekte

Bernd Bösel

 

Zusammenfassung: Nietzsche als Psychologe, Teil I – Die Integration der Triebe und Affekte
In dieser ersten von zwei Auseinandersetzungen mit der Psychologie Friedrich Nietzsches steht dessen Seelenbegriff im Vordergrund – eine Thematik, die für PsychotherapeutInnen von besonderem Interesse sein dürfte, gilt Nietzsche doch unter anderem als Vordenker der Tiefenpsychologie und Ideengeber Freuds. Die Besonderheit in Nietzsches Auffassung liegt darin, dass er die Seele nicht mehr, wie es viele klassische Autoren getan haben, als zentral organisiertes Vermögen beschreibt, sondern als polyzentrisches Ereignisfeld, das mit dem Körper koexistiert und damit eine Überfülle von Trieben und Affekten generiert. Dies stellt jeden Menschen vor die Aufgabe, sich einer möglichst großen Zahl dieser Phänomene bewusst zu werden und sie in seine Persönlichkeit zu integrieren. Die Frage, wie dies gelingen kann, ohne dass eine völlig ungeordnete Vielheit entsteht, führt zur Fähigkeit, die eigene Seele zu regieren, die sich freilich nicht mehr an puritanischen oder moralistischen, sondern an ästhetischen Vorstellungen orientieren muss. So leitet die Aufgabe der psychischen Integration zur Thematik des personellen Stils über, den Nietzsche gerne „Charakter“ nennt. Mit diesen sehr grundlegenden Erörterungen greift Nietzsches Psychologie von selbst zur Lebenskunstdebatte über. Der Arbeit ist eine kurze Auseinandersetzung mit der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte von Nietzsches Werk vorangestellt.

Schlüsselwörter: Trieb, Affekt, Leidenschaft, Stil, Charakter

 

Summary: Nietzsche as Psychologist, Part I – The Integration of Drives and Affects
In this first of two examinations of Friedrich Nietzsche‘s psychology his concept of the soul will be the focus – a topic that might be especially interesting for psychotherapists, not least because Nietzsche is regarded as a forerunner of depth psychology and as inspirer of Freud. The special quality of Nietzsche‘s view lies in his conception of the soul as a polycentric field that coexists with the body and generates an overabundance of drives and affects. By this, he contradicts the classical view of the soul as unitary faculty. Seen this way, every person is confronted with the task of getting aware of his or her psychic phenomenons as fully as possible and to integrate them into his or her personality. The question how this can be done without letting emerge a totally unstructured multiplicity, leads to the capability of ruling one‘s own soul – which can no longer align itself with puritanical or moralistic, but instead with aesthetic ideas. So the task of psychical integration translates to the topic of personal style which Nietzsche likes to call „character“. With these quite fundamental examinations Nietzsche‘s psychology by itself spreads to the discourse of the „art of life“. The text begins with a short introduction into the history of the reception and effects of Nietzsche‘s work.

Keywords: drive, affect, passion, style, character

Download:

IT-2009-4-boesel-nietzsche-als-psychologe-integration-der-triebe-und-affekte [241 kB]

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner