POLYLOGE
Materialien aus der Europäischen Akademie für biopsychosoziale Gesundheit, Naturtherapien und Kreativitätsförderung – Eine Internetzeitschrift für „Integrative Therapie“
Ausgabe 15/2019
„Mit einer unsicheren Zukunft leben lernen“ (2006m/2019)
Vortrag am Hospitalhof Stuttgart, Evangelisches Bildungswerk in 2006 von Hilarion G. Petzold
-Tonträger-
Zusammenfassung: „Mit einer unsicheren Zukunft leben lernen“ (2006m)*
Die Integrative Therapie hatte seit ihren Anfängen eine fundamentale Zukunftsorientierung. Sie war als eine «Entwicklungstherapie in der Lebenspanne» konzipiert worden, von der Kindheit an auf die Zukunft gerichtet, auch auf Alter und Tod. Das, was in der Zukunft, «dans le future» Petzold 1965, 2, 16), von jedem Menschen zu erwarten ist, wurde nicht ausgeblendet. Therapie, Beratung etc. werden verstanden als Begleitung und Unterstützung «auf dem Weg des Lebens» ( soutien sur le chemin de la vie, ebenda S. 17), auf dem das Gehirn beständig zukunftsorientiert arbeitet (Stefan, Petzold 2019), z. B. prospektive Bewegungsentwürfe macht, wie N.A. Bernstein gezeigt hat (Feigenberg 2014), und Pläne für proaktives Handeln schmiedet. Ohne das wären wir nicht durch die Evolution gekommen. Er ist also keineswegs auf ein „Hier-und-Jetzt“ orientiert ist. Die humanistischen und viele psychodynamische Therapien sind an dieser fragwürdigen ahistorische Ideologie orientiert, mit der aktive Zukunftsvorsorge und Aufgaben prädiktiver Zukunftsgestaltung vermieden werden. Dabei werden auch zwei höchst wichtige Grundantriebe des Menschen – explorative Neugier und poietisches Gestaltungsstreben – ausgehebelt. Dabei ist das „Jetzt“, sobald ausgesprochen, schon vergangen. „Hier und heute“, eine zeitextendierte Gegenwart, „heuer“ (Österreich., dieses Jahr), im „continuum of awarenes“ ist konsistenter. Aber wir haben nicht nur individualisiert geschaut und uns mit persönlichen „Zukunftsprojektionen“ (Petzold 1971j) befasst – so die integrative „Philosophie des Weges“ (Petzold, Orth 2004b). Es wurde immer auch der „Weg durch die Evolution und durch die Geschichte“ betrachtet (ders. 2005t). Die Zukunft war und ist nie sicher. Derzeit ist sie wieder einmal bedrohlich. Ein beunruhigender „Zeitgeist“ (ders. 2016f) verlangt besonnene Zukunftsgestaltung auf dem Boden von Gegenwarts- und Vergangenheitsanalysen und mit guter antizipatorischer Kompetenz. Hierzu werden im vorliegenden Lecture weiterführende Überlegungen entwickelt für eine „transversale Moderne“, die sich beständig überschreitet und beständige persönliche und kollektive Zukunftsarbeit verlangt..
Schlüsselwörter: Zukunft, Zukunftsunsicherheit, Antizipatorische Kompetenz , transversale Moderne, Integrative Therapie.
Summary: „Learning to live with an uncertain future“ (2006m)*
Integrative Therapy has a fundamental future orientation since its inception. It had been conceived as a „developmental therapy in the life span“, aimed at the future from childhood to old age and death. That which in the future, „dans le future“ Petzold 1965, 2, 16), is to be expected of every human being, was not avoided. Therapy, counseling etc. are understood as accompaniment and support „on the way of life“ (soutien sur le chemin de la vie, ibid. P. 17), on which the brain works steadfastly for the future (Stefan, Petzold 2019). E. g. it makes prospective motion designs, as N.A. Bernstein has shown (Feigenberg 2014), and plans for proactive action. Without that, we would not have come through evolution. So man is by no means oriented to a „here-and-now“. The humanistic and many psychodynamic therapies are based on this questionable ahistorical ideology, with which active future care and predictive preparing for future tasks avoided. Two most important basic drives of humans – exploratory curiosity and poietic striving to mould reality – are leveraged. The “now” however, as soon as uttered, has already passed. „Here and Today,“ a time-extenderd present, „heuer” (Austrian: “this year“) in the „continuum of awarenes“ is more consistent. But we did not just look at ourselves individually, at personal „future projections“ (Petzold 1971j), we also looked at collective dimensions – this is the position of the integrative „Philosophy of the Pathway“ (Petzold, Orth 2004b). It always considered the „ways of man through evolution and through history“ (see 2005t). The future was and is never safe. Currently she is threatening again. A disturbing “Zeitgeist” (ders. 2016f) calls for a prudent future, on the basis of present and past analyzes and with good anticipatory competence. In this lecture, further considerations are developed for a „transversal modernity“ that constantly transcends itself and requires constant personal and collective investments in the work for the future.
Keywords: future, future uncertainty, anticipatory competence, transversal modernity, integrative therapy
Literatur:
*Aus: Petzold, H.G. (2006m/2019): „Mit einer unsicheren Zukunft leben lernen“. Vortrag Hospitalhof. Tonträger 230905. Stuttgart: Evangelisches Bildungswerk.
Feigenberg, J. M. (2014): Nikolai Bernstein: From Reflex to the Model of the Future. Münster: LIT.
Petzold, H.G. (1965): Géragogie – nouvelle approche de l’éducation pour la vieillesse et dans la vieillesse. Publications de L’Institut St. Denis 1, 1-19; https://www.fpi-publikation.de/textarchiv-petzold/petzold-h-g-1965-1972i-1985b-geragogie-nouvelle-approche-de-leducation-pour-la-vieillesse/
Petzold, H.G. (1971j): Die psychodramatische Technik der Zukunftsprojektion. Referat VI. Intern. Kongr. f. Psychodrama und Soziodrama, Amsterdam 22.-26. Aug. 71, Proceedings, erweiterte Fassung in: Petzold, H. G. (1979k): Psychodrama-Therapie. Theorie, Methoden, Anwendung in der Arbeit mit alten Menschen. „Beihefte zur Integrativen Therapie“ 3, Paderborn: Junfermann, S. 198-250.
Petzold, H.G. (2005t): Homo migrans. Der „bewegte Mensch“ – Frauen und Männer in Bewegung durch die Zeit. Transversale Überlegungen zur Anthropologie aus der Sicht Integrativer Therapie. Hommage an Simone de Beauvoir. POLYLOGE http://www.fpi-publikation.de/downloads/download-polyloge/download-nr-05-2005-petzold-h-g-2005t.html
Petzold, H. G. (2016l): Zeitgeist und kollektive Beunruhigung als Krankheitsursache – therapeutische Arbeit mit Atmosphären und Zeitgeisteinflüssen, POLYOGE https://www.fpi-publikation.de/polyloge/30-2016-petzold-h-g-2016l-1989f-zeitgeist-kollektive-beunruhigung-krankheitsursache/
Petzold, H.G., Orth, I. (2004b): „Unterwegs zum Selbst“ und zur „Weltbürgergesellschaft“ – „Wegcharakter“ und „Sinndimension“ des menschlichen Lebens – Perspektiven Integrativer „Kulturarbeit“ – Hommage an Kant, Europäische Akademie für Psychosoziale Gesundheit, Hückeswagen. POLYLOGE 9/2009; http://www.fpi-publikation.de/polyloge/alle-ausgaben/09-2009-orth-i-petzold-h-g-2004b-unterwegs-zum-selbst-und-zur-weltbuergergesellschaft.html
Stefan, R., Petzold, H. G. (2019): Möglichkeitsräume und Zukunftsentwürfe in den kognitiven Neurowissenschaften – Gesichtspunkte der Integrativen Therapie. Ersch. in Resonanzen 2019, https://www.resonanzen-journal.org/index.php/resonanzen/index
Link zum Tonträger des Vortrags:
https://www.dropbox.com/s/8rdqgxg90evnf8z/hospitalhof%20cassette%2023_05_05.mp3?dl=0
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